Das Bild zeigt einen Campingplatz an einem See, wo einige Wohnwagen parken

Barrierearme Wohnwagen

Kurz bevor der Umbau des ersten Prototypen für die Serienproduktion begann, kam die Corona-Krise. Und mit ihr ein wochenlanger Stillstand in der Werkhalle. So entstand der erste barrierearme Wohnwagen der Firma Wanner Caravaning etwas später als geplant. Damit sind barrierearme Caravans keine Sonderanfertigungen mehr, sondern Serienprodukte. Einer, der den Stein für die neue Geschäftsidee ins Rollen brachte, war ein Kunde mit Conterganschädigung. Doch der Reihe nach.

„Mein Motto ist: Freiheit leben“, sagt Falko Georgi. Der Geschäftsführer des Unternehmens Wanner Caravaning möchte jedem, auch Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung, die Nutzung eines Wohnwagens ermöglichen. Da es barrierearme und behindertentaugliche Modelle am Markt so gut wie nicht gab, wollten er und sein Team hier Abhilfe schaffen. Mithilfe entsprechend angepasster Wohnanhänger, die man entweder im Auftrag umbauen lassen oder mieten kann. Der erste seiner Art soll nun in Serie gehen.

 

In Gedenken an Gotthilf Lorch

Die Idee, einen barrierefreien Wohnwagen anzubieten, ist schon etwas älter. Falko Georgi erinnert sich: „Es war 2014, da kam Gotthilf Lorch auf mich zu. Er fragte einfach, ob wir für ihn einen solchen Umbau machen könnten. Ich habe spontan ja gesagt.“ Lorch, der inzwischen verstorben ist, war als Mensch mit Conterganschädigung auf einen Rollstuhl angewiesen. Für Georgi war es der finale Anstoß, der ihm noch gefehlt hatte und der den neuartigen Wohnwagen sprichwörtlich ins Rollen brachte.

„In meiner Familie gab es einen Contergan-Fall. Ein Freund sitzt nach einem Motorradunfall im Rollstuhl. Und ich habe bereits während meines Zivildienstes mit körperlich beeinträchtigten Menschen gearbeitet“, berichtet er. Als Fahrer beim Deutschen Roten Kreuz hat er damals tagtäglich miterlebt, mit welchen Problemen und Aufgabenstellungen diese Menschen konfrontiert sind. Das Thema ließ ihn offenbar nicht los.

Nach Ausbildungen zum Immobilienkaufmann und zum KfZ-Mechaniker, einem BWL-Studium und einer Tätigkeit als Fahrzeughändler hatte er als Geschäftsführer bei Wanner Caravaning die Voraussetzungen, seine Ideen zu realisieren. „Die ersten Aufträge in der Folge von Gotthilf Lorch waren Umbauten von Fahrzeugen, die bereits im Besitz von Kunden waren“, erzählt Georgi. „Die sind wegen der Messeauftritte auf uns aufmerksam geworden. Oder weil man uns im Internet unter den Stichworten  ‚Wohnwagen‘ und ‚Behinderung‘ schnell findet.“ 

 

Anpassungen im Selbstversuch

Dass Georgi selbst leidenschaftlicher Camper ist, tut ein Übriges. „Auf Campingplätzen sah ich immer wieder Familien mit Menschen im Rollstuhl, darunter oft Kinder, die mussten von den Eltern in den Wohnwagen getragen werden.“ Um sich ein möglichst realistisches Bild vom Alltag Behinderter zu machen, hat sich Georgi dann selbst einen Rollstuhl geliehen. So konnte er am eigenen Leib erkennen, wo Fallstricke und Problemfelder liegen. „Es beginnt beim Einsteigen: Die Tür eines handelsüblichen Wohnwagens ist zu schmal, und ohne Barriere kommt man erst gar nicht rein“, erklärt er. „Weiter geht es mit der Bewegungsfreiheit im Wagen selbst. Lichtschalter und Armaturen in Griffhöhe, Toilette und Duschkabine…“ – alles kam auf den Prüfstand.

Auf Reha- und Touristik-Messen stellte Georgi seine Idee erstmals vor. Vor knapp einem Jahr begann dann die eigentliche Arbeit am Prototypen, der nun in Serie gehen soll. Zusammen mit seinem Team ging er an die Lösung der Detailfragen. Der Zugang, so fand man heraus, muss 87 Zentimeter breit sein. Alle Umbauten ob Bett oder Küchenzeile müssen so gelöst werden, dass der Wagen am Ende dasselbe Gewicht hat wie vor dem Umbau. „Ein Caravan in der handelsüblichen Größe und Gewichtsklasse muss von einem Mittelklasse-PKW gezogen werden können. Sie können also das Gewicht nicht wahllos variieren“, erklärt Georgi. Ist er etwa zu leicht, schlingert er. Hier kommt der TÜV ins Spiel. Er nimmt die fertig umgebauten Fahrzeuge zwar nicht im üblichen Sinne ab. Doch durch enge Kooperation und Absprachen sind alle Anpassungen verkehrssicher.

Das Basismodell ist ein Wohnwagen von fünf Metern Länge und 1.350 Kilogramm Gewicht. „Ideal für Einsteiger“, sagt Georgi. „Wir gehen immer davon aus, dass am Ende fünf Personen darin Platz haben.“ Knapp 30.000 Euro kostet ein umgebauter Serien-Caravan. Die Tagespreise im Verleihgeschäft sind geringfügig höher als bei normalen Fahrzeugen.

 

Die erste Serie: zehn Fahrzeuge

Falko Georgi und Wanner Caravaning arbeiten bei der Serienproduktion eng mit dem Hersteller Adria zusammen, der in die Anpassungen seiner Wagen eingebunden ist. Nach den Corona-Lockerungen und zu Beginn der Sommerferiensaison konnte die Produktion wieder hochgefahren werden. Noch in diesem Jahr sollten zehn Fahrzeuge produziert werden, von denen zwei in den Verleih gehen.

So sind Georgi und Wanner Caravaning dabei, sich ein echtes Alleinstellungsmerkmal zu erarbeiten. Die Kunden reisen aus dem ganzen Bundesgebiet zum Firmensitz in Dußlingen bei Tübingen. Schriftliche Anfragen kommen auch aus dem Ausland. Gotthilf Lorch wäre stolz. „Ich fahre das teuerste Klo der Welt“, zitiert ihn Georgi. Lorchs Wohnwagen steht nach wie vor in der Werkhalle und dient Interessenten als Anschauungsobjekt - inklusive aller Gimmicks und elektronischen Sonderanfertigungen. „Ich glaube, niemand hat mich nachhaltig so sehr beeindruckt wie er“, sagt Falko Georgi. „Der Kerl war echt ein Knaller.“

 

LINK

www.wanner-caravaning.de

 

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